Vereinsausflug 2015: Wracks vor Rügen
Am ersten Juliwochenende unternahmen wir den lange geplanten Rügen-Ausflug. Unser Ziel war Putgarten bzw. der Ortsteil Goor im Norden der Insel, in unmittelbarer Nähe zum unter Denkmalschutz stehenden Fischerdorf Vitt. Dort hat nur 30 Meter von der Küste entfernt
Archäo Tour Rügen seinen Stützpunkt, zusammen mit der Tauchbasis des Landesverbandes für Unterwasserarchäologie Mecklenburg-Vorpommern e. V.
Der Hauptteil der elf angereisten Vereinsmitglieder zeltete im schönen Garten von Dr. Katrin Staude & Andreas (Eckbert) Grundmann, zwei übernachteten in einer der vorhandenen Ferienwohnungen. Zahlreiche Informationen in diesem Artikel stammen von Frau Dr. Staude.
Die Ostsee ist eines der größten Schiffsfriedhöfe der Welt. Allein an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns befinden sich mindestens 1500 bekannte Schiffswracks. Mit mehr als 300 bestätigten Schiffswracks weist Rügen die größte Wrackdichte an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns auf. Die Funde besitzen eine große zeitliche Spannbreite: vom Ende der letzten Kaltphase in der Eiszeit vor ca. 10.000 Jahren bis zum Mittelalter und der Neuzeit.
Am Samstag boten sich mit 28-30 °C Lufttemperatur und ruhiger See optimale Bedingungen für entspannte Tauchgänge. Startpunkt aller Ausfahrten war der Hafen von Glowe. Zum ersten Tauchplatz fuhren wir mit drei Schlauchbooten Richtung Osten bis ca. in Höhe des Königsstuhls und der Victoriasicht (Höhe: 118 m ü. NN). Ziel war das Wrack der „Amazone“.
Der Tauchgang ging auf 19,8 Meter, dauerte 42 Minuten, die Wassertemperatur betrug 9 °C. Die Sicht war mit ca. 5 m für die Ostsee sehr gut. Das Küstensegelmotorschiff Amazone besaß eine Länge von 45 m und eine Breite von 7 m. Der Stahlsegler sank 1939 während eines Orkans. Durch Archivrecherche in Stralsund ermittelte Papierreste ließ sich auf das Alter, den Namen u. a. schließen.
Der ehemalige Schiffsjunge konnte in den neunziger Jahren ausfindig gemacht und befragt werden und Details über den Untergang schildern. Das Schiff tauchte bei stürmischer See in eine Welle ein, beim Auftauchen brach der komplette Bug ab. Alle fünf Besatzungsmitglieder überlebten den Untergang. Die Ladung, bestehend aus Verwaltungsunterlagen einer Spielzeugfabrik in Kopenhagen, wurde dem Gaffelschoner zum Verhängnis. Das Altpapier saugte sich durch einbrechendes Wasser voll wie ein Schwamm, wodurch es der Besatzung auch nicht gelang, die Wassermassen wieder abzupumpen.
Ungefähr im Jahr 2007 wurde der Mittelteil des Schiffsrumpfes durch Anker der Marine in zwei Teile gerissen. Die entfernten Anker mussten wieder am Wrack angebracht werden.
Während der Mittagspause wurden die Flaschen im Hafen von Glowe, auf dem Forschungsschiff Goor II gefüllt. Der zweite Tauchgang ging zum Wrack der „Auguste“, das mittels GPS und Echolot lokalisiert wurde. Der Tauchgang ging in 16,5 m Tiefe. Die Tauchzeit betrug 21 Minuten, bei 10 °C Wassertemperatur.
Außer dem Bug sind größtenteils lediglich die mächtigen Spanten des Dreimastschoners erhalten. Aus den Verklarungsakten (Versicherungsakten) konnten hilfreiche Informationen gewonnen werden. Der mit Feldspat (Verwendung z. B. bei der Porzellanherstellung oder für die Glasur von Steinzeugfliesen) beladene Holzsegler aus dem 18. Jh. ist 1894 vor der Tromper Wiek gesunken. Seine Route führte ihn von Stockholm nach Stettin.
Heftige Sturmböen hatten das Schiff an den Strand geschleudert. Die Mannschaft sprang von Bord. Wenig später befreite die Flut das Geisterschiff, es trieb steuerlos davon und sank zwei Seemeilen vor der Küste. Seine Fracht ist noch vollständig vorhanden. Es wird vermutete, dass es eine Länge um die 35 m besaß. Die Breite betrug 5,4 m.
Am Sonntag fuhren wir mit den Schlauchbooten in Richtung Norden. Es ging direkt vor das Kap Arkona, mit Jaromarsburg (vom 9. bis zum 12. Jh. eine dem Gott Svantovit gewidmete Kultstätte des slawischen Stammes der Ranen), dem ehemalige Marinepeilturm von 1927 (etwa 23 m hoch), dem kleineren der beiden Leuchttürme (auch Schinkelturm genannt) aus dem Jahr 1826/27 (22,45 m hoch) und dem aktiven Leuchtturm aus dem Jahr 1901/02. Er ist 35 m hoch und hat eine Feuerhöhe von 75 m ü. NN. Das Kreideriff mit seinen gebirgsähnlichen Schluchten und teilweise mehrere Meter hoch aufragenden Felsen war unser Ziel. Vor fast 300 Jahren sank an dieser Stelle die kleine dänische Fregatte „Mynden“. Es ging in 10,7 m Tiefe, die Tauchzeit betrug 54 Minuten, bei einer Wassertemperatur von 13/14 °C.
Am 18. November 1718 um 15:30 Uhr fuhr der Dreimaster bei Sturm auf das Kreideriff auf, sank und wurde durch den starken Wellengang in die tiefere Umgebung getrieben. 1937 entdeckte von Müller-Berneck zwei Kanonen bei einem Tauchgang. Die Bodenschale wurde im Herbst 1991 durch Waffentaucher der Bundesmarine ca. 800 m vor der Küste am Kap in 10 m Tiefe, südlich vom Arkonariff entdeckt. Von 1992 bis zum Jahr 2000 gab es drei, teils jahrelange Untersuchungen und Grabungen (durch den Verein für Unterwasserarchäologie Mecklenburg-Vorpommern (im Auftrag des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege) und durch T. Förster und J. Auer), durch die das Wrack dokumentiert und identifiziert werden konnte. Vgl. Jens Auer (2002): Ein Wrackfund vor Kap Arkona. Alle folgenden Informationen wurden der Publikation entnommen.
Den einzigen Hinweis auf die mögliche Nationalität des Schiffes lieferte eine im damals dänischen Hafen Glückstadt (1617 gegründet, ca. 45 km nordwestlich von Hamburg) gegossene Bronzekanone. Im Reichsarchiv Kopenhagen wurde man in Flottenlisten fündig. Die Mynden, übersetzt Windhund, war eine kleine Fregatte von 25,6 m Länge, 6,46 m Breite und 3,13 m Seitenhöhe. Sie wurde 1679 in Kopenhagen gebaut. Nach zahlreichen Konvoi-Seereisen in den Jahren 1680–1688 wurde das auf Reede liegende Schiff erst im Verlauf des Großen Nordischen Krieges (1700–1720) als Kriegsschiff reaktiviert.
Beim Untergang ertranken 13 Mann der Besatzung, 42 wurden von den Fischern des nahe gelegenen Dorfes Vitt gerettet. Da die Masten des Schiffes noch aus dem Wasser herausragten, wurde bereits am 19. November mit den Bergungsarbeiten am Wrack begonnen. Erst im Dezember wurden die Versuche aufgegeben.
Die Bewaffnung der Fregatte bestand laut Aktenlage aus 12 dreipfündigen Geschützen, zwei Zweipfündern sowie sechs Falkonetten. Insgesamt wurden an der Wrackstelle 11 dreipfündige gusseiserne Geschütze vom Typ „Finbanker“ gefunden und teilweise geborgen (durchschn. Rohrlänge von 1,9 m). Außerdem wurden mehrere Handgranaten, teilweise mit intakten Holzzündern entdeckt. Größere Mengen Geschützmunition wie Traubhagel, Knüppelkugeln und Vollkugeln fanden sich am Heck des Wracks (Abbildungen in der Publikation von J. Auer).
Der gesamte Wrackkörper ist mit Steinen und eisernen Ballastteilen wie z. B. sieben zerteilten Geschützrohren und mehreren großen eisernen Hohlkugeln oder Bomben mit Durchmessern von 40–50 cm bedeckt. Die Verwendung unbrauchbar gewordener Geschützrohre und Munitionsteile als Ballast war eine gängige Praxis. Die großen eisernen Hohlkugeln waren vermutlich mit Sand gefüllt.
Da keine Bauzeichnungen der Fregatte mehr vorhanden sind, kann über das genaue Aussehen nur spekuliert werden. Der moderne Nachbau der russischen Fregatte „Shtandart“ von 1703 bzw. 1999 kommt in seinen Dimensionen der Mynden sehr nahe.
Alle drei Wracks sind Bodendenkmäler Mecklenburg-Vorpommerns, die unter Denkmalschutz stehen aber betaucht werden dürfen.